Portrait Wolfgang Schütte VfL-Vereinsmagazin DRIN!

Wolfgang Schütte mit Fiderstep

Wolfgang Schütte mit Fiderstep

EIN STÜCK ZURÜCK …
Wolfgang Schütte

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www.vfl.de VfL-Vereinsmagazin DRIN! Nach vier Besuchen in den 50er und 60er Jahren entschied sich die „DRIN!“-Redaktion für eine Reise in die jüngere Vergangenheit. Unser fünfter ehemaliger VfL-Spieler trug bis 2006 das Trikot der Lila-Weißen. Zugegeben, vor der Fahrt in seinen Geburtsort fiel es nicht ganz leicht, sich den Mann mit der Rückennummer 6, der den Fußballplatz nie mit sauberem Trikot verließ, als Finanzexperten und Gestütsbesitzer vorzustellen. Doch in Spelle zeigte sich: Wolfgang Schütte macht auch mit Anzug und edlen Vierbeinern eine gute Figur!

Heimatgefühle Obwohl er die aktive Laufbahn im Sommer 2010 endgültig beendete, hat Wolfgang Schütte seine alte Wirkungsstätte immer vor Augen. Die Plätze des SC Spelle-Venhaus, für den schon Vater Heinrich 14 Jahre lang die Fußballschuhe schnürte, trennt nur eine schmale Straße vom Grundstück der Schüttes. Auf dem großzügigen
Gelände, das sich seit 1906 im Familienbesitz befindet, leitet Wolfgang Schütte eine Filiale des Finanzdienstleisters AWD – und eine Pferdezucht. Auf der Suche nach leistungsstarken Springpferden wurden hier bereits Weltmeister
und Olympiasieger Ludger Beerbaum oder der Deutsche Meister Rene Tebbel fündig. „Als ich klein war, gab es noch einen Bauernhof“, erzählt Schütte. „Mit Kühen, Schweinen, Hühnern und allem, was dazu gehört. Nach der Schule wurden Hausarbeiten gemacht, ein paar Dinge auf dem Hof erledigt und dann ging es nur noch um Fußball! Wir hatten schließlich keinen Computer und keine Playstation. Da wurde jede freie Minute gebolzt.“
Offenbar mit Erfolg, denn der Jahrgang 73/74 bescherte dem heimischen SC nicht nur Kreis- und Emslandmeisterschaften, sondern auch Prestigesiege gegen die starke Konkurrenz aus Lingen oder Meppen. Wolfgang sorgte schon damals für eine stabile Defensive und kam trotzdem zügig voran. Als B-Jugendlicher
spielte er bereits in der A-Jugend und der Niedersachsenauswahl und erregte so die Aufmerksamkeit von Friedel Hoppe, der ihn 1990 zum VfL lotste. Keine Angst vor Medizinbällen!
In Spelle hatte Wolfgang Schütte noch eine Ausbildung zum Energieanlagen-Elektroniker absolviert, bestand dann das Fachabitur in Osnabrück und arbeitete hier weiter an seiner Fußballerkarriere. Nach drei Jahren im Nachwuchsbereich, in dem übrigens auch Bruder Thorsten aktiv war, kam er 1993/94 erstmals für die Oberliga-Mannschaft zum Einsatz. Cheftrainer Werner Biskup fand in ihm einen gelehrigen Schüler, denn bedingungslose Einsatzfreude war genau Schüttes Metier. „Ich hatte keine Angst vor Medizinbällen und kam mit dem Programm eigentlich immer gut zurecht. Doch Biskup konnte uns auch die Grenzen aufzeigen. Wenn im Trainingslager vier Übungseinheiten pro Tag angesetzt waren, haben wir manchmal überlegt, ob wir den Franzbranntwein lieber
trinken sollten, weil wir unsere Muskeln sowieso nicht mehr gespürt haben …“ Der erste Profitrainer blieb unabhängig davon der wichtigste seiner Laufbahn: „Werner Biskup besaß ein untrügliches Gespür für junge Spieler. Der nahm einen an die Hand, fand genau die richtigen Worte und dann wusste jeder, was er zu tun hatte.“ Auch Biskups Nachfolger Heiko Flottmann verstand sich offenbar auf die passende Ansprache.
In der Saison 1994/95 erzielte Schütte phänomenale elf Saisontreffer und bekam prompt ein Angebot von Borussia Dortmund, das ihm die Osnabrücker Vereinsführung ebenso postwendend ausredete. „Da gab es einige Misstöne,
das Vertrauensverhältnis war ziemlich gestört. Außerdem musste ich zur Bundeswehr, es passte einfach gar nichts mehr zusammen“, so Schütte über seine vorerst letzte Spielzeit bei den Lila-Weißen, die er im Sommer 1996
Richtung Herzlake verließ. Nicht in erster Linie aus sportlichen Gründen, obwohl ihm mit dem damaligen Ligakonkurrenten das Kunststück gelang, kein einziges Spiel gegen seinen favorisierten Ex-Verein zu
verlieren. „Eigentlich habe ich mit dem Fußball mein Studium an der Fachhochschule Osnabrück finanziert“, schmunzelt der Diplom- Wirtschaftsingenieur. „Ein bisschen Geld hat Herzlake ja auch gezahlt.“ 1998, nach zwei Unentschieden und zwei Niederlagen gegen die widerspenstigen Emsländer, wollten die Lila-Weißen ihren Defensivspezialisten zurück, und der Transfer kam auf die denkbar einfachste Weise zustande: „Lothar rief an und sagte: ´Wir brauchen dich jetzt!´“. Der Teamplayer Osnabrücks Manager Lothar Gans lag goldrichtig, denn in den kommenden Jahren machte sich Wolfgang Schütte unentbehrlich. Mit Joe Enochs bildete er die Sicherheitsgarantie im defensiven Mittelfeld und spielte sich mit unermüdlichem Engagement, hoher Laufbereitschaft und nie nachlassender Zweikampfstärke in die Herzen der Fans. Sie schätzten den Blondschopf mit dem schütteren Haupthaar als „Fußball-Malocher“, kürten ihn in Anlehnung an den Spitznamen des HSV-Profis Andreas Fischer zur „Sex-Machine“, und wenn auf der Nordtribüne nicht viel los war, bekam der Publikumsliebling auch mal die eine oder andere Ermahnung mit auf den Weg. „Dann konnten wir praktisch jedes Wort verstehen und ´Los, Schütte, nun lauf doch!´ war da wirklich das Harmloseste!“ Doch auch die Spötter wussten genau, was sie an ihm hatten: „Ich war kein überragendes Talent, aber ein guter Teamplayer. Es können nicht alle Spieler mit Kunststücken glänzen. Einige müssen auch die Drecksarbeit machen.“

Das Spiel der Spiele Wer am 1. Juni 2000 gute zwei Stunden an der Bremer Brücke verbracht hatte, sollte diesen
Abend nie wieder vergessen. Das entscheidende Spiel um den Aufstieg in die 2. Bundesliga gegen Union Berlin ging in die Vereinsgeschichte ein, und Wolfgang Schütte war einer der Protagonisten. Er hatte im Hinspiel bereits das
wichtige 1:0 erzielt (Endstand: 1:1) und musste nach 120 Minuten – wie so viele seiner Kollegen – zum Elfmeterschießen antreten, weil die Partie erneut keinen Sieger fand. „Ich war mir 100%ig sicher, dass ich den Ball
reinhaue“, schwört Schütte, der über seine sonstige Stimmungslage nur noch Ungefähres zu berichten weiß: „Wir haben natürlich mitbekommen, was im Stadion los war – diese unglaubliche Stimmung, die ganze Aufregung,
aber das spielte sich alles im Hintergrund ab. Als es zum Elfmeterschießen ging, war ich total fokussiert. Da gab es nur noch den Ball und das Tor.“ Schütte traf als siebter Osnabrücker Schütze, und auch Okeke, Spork und Härtel behieten die Nerven. Dann scheiterte Hartenberger an Union-Keeper Kay Wehner, doch auch Menze
zog gegen Uwe Brunn den Kürzeren. Auf dem Höhepunkt dieses an Spannung wohl nicht mehr zu überbietenden Fußballabends kam es zum Duell der Torhüter. Brunn bezwang Wehner und parierte anschließend auch noch
den Schuss seines Kontrahenten. Der VfL gewann 9:8 und spielte nach 2.526 Tagen wieder in der 2. Bundesliga.

Am 15. April 2006 absolvierte Wolfgang Schütte beim Regionalliga-Spiel gegen die Amateure des 1. FC Köln den letzten von insgesamt 272 Einsätzen im lila-weißen Dress. „Es gab ein sehr offenes Gespräch mit Pele Wollitz, der meine Position anders besetzen wollte, sich aber eine Zusammenarbeit im Trainerstab vorstellen konnte. Damals sprachen berufliche Gründe dagegen, außerdem wollte ich noch ein bisschen weiterspielen.“ Schütte wechselte zum
SV Meppen und heuerte schließlich bei seinem Heimatverein SC Spelle-Venhaus an, für den er bis 2010 in der Bezirksoberliga Weser-Ems antrat. Wenn er heute aus seinem Bürofenster schaut, „kribbelt es immer noch ein bisschen, doch ich merke auch, dass es genug war.“ Der Fußball ist aus dem Leben des 36-jährigen dennoch
kaum wegzudenken. Er besitzt nicht nur eine Dauerkarte für die osnatel ARENA, sondern engagiert sich mit AWD auch im Sponsorenpool der Lila-Weißen und könnte sich perspektivisch vielleicht doch eine Aufgabe
im Bereich der Mannschaftsbetreuung vorstellen. Seit der frühere Kollege und langjährige Freund Joe Enochs die U

23 übernommen hat, verfolgt Wolfgang Schütte besonders interessiert, wie sich der Nachwuchs der Lila-Weißen
entwickelt. Das gilt natürlich auch für die Zweitligamannschaft, der er eine positive Entwicklung zutraut,
weil die Aufstiegsmannschaft zusammengehalten werden konnte. „Das war 2000 und 2003 ein echtes Problem, aber jetzt kann das Team die positive Stimmung mitnehmen und hat damit wirklich gute Voraussetzungen, um den Klassenerhalt zu schaffen!“